Unser neuer Alltag

Unser neuer Alltag

Heute ist es genau ein halbes Jahr her, dass wir nach Chile gekommen sind – verrückt, wie schnell die Zeit vergangen ist! Und wir können sagen, dass wir uns eingelebt haben und mittlerweile unser Leben hier völlig normal ist und wir unseren Alltag gefunden haben. Dieser sieht in vielen Dingen ähnlich wie in Deutschland aus, aber es gibt auch Sachen, die dort so wohl keinen Einzug in unser Leben gehalten hätten. Und damit meine ich nicht unser großes Projekt mit dem Bau unserer Gästehäuser und den damit anfallenden Herausforderungen, sondern die kleinen, alltäglichen Dinge.

So bin ich beispielsweise noch nie in meinem Leben soviel Auto gefahren wie hier – die, die mich gut kennen, wissen, dass ich noch nie ein eigenes Auto besessen habe und mit der Familienkutsche in München nie gefahren bin. Hier muss ich nun zwangsläufig fahren – zum Einen, weil wir soweit auf dem Land wohnen, wo es nur eine sporadische Busverbindung gibt, und zum Anderen, weil der Sohnemann täglich nach Villarrica in den Kindergarten muss und der Ehemann am Haus und auf der Baustelle gebraucht wird. So fahre ich nun täglich an die 50km: in die Stadt, von da zu Freunden und zum Einkaufen. Und natürlich freut sich der Ehemann sehr, wenn er nun endlich auch mal ein Bierchen bei Freunden trinken kann und ich nach Hause fahre. Zumal hier die Alkoholgrenze beim Autofahren bei 0,0 liegt und die Carabineros fleißig am Kontrollieren sind.

Bayerisch-argentinischer Abend bei Freunden

Da sind wir direkten beim nächsten Punkt – schon lange waren wir nicht mehr soviel zusammen bei und mit Freunden und Bekannten und konnten ausgiebig unsere sozialen Kontakte pflegen. Dadurch, dass wir uns unsere Arbeit selber einteilen, keine Dreharbeiten mehr am Wochenende sind und die Kinder hier einfach überall mit eingeladen werden, sind wir beinahe jedes Wochenende bei Freunden, essen und sitzen teilweise bis weit nach Mitternacht zusammen. Der Sohnemann schläft dann, nach dem Spielen und Toben mit seinen neuen Freunden, glücklicherweise ganz unkompliziert in fremden Betten und wird dann zur Heimfahrt einfach ins Auto, welches eben ich dann meist fahre, verfrachtet. Oftmals sind wir dann bei anderen Deutschen, welches eine eingeschworene Gemeinschaft ist, wo jeder jeden kennt, aber ebenso oft geht es auch international zu  – mit Chilenen, Argentiniern, Engländern, Österreichern usw.

Ein weiterer Unterschied betrifft eher meinen Mann, der sich vom Fernsehmacher zum Handwerker gewandelt hat. Während mein Hauptaufenthaltsort ein Café ist, in dem ich die Vormittage arbeite, so ist es bei ihm der Baumarkt. Ich denke, ich kann behaupten, dass er noch nie zuvor so oft da war wie hier in den letzten Monaten. Ein Tag ohne Baumarkt ist mittlerweile eine Ausnahme, denn ständig werden Materialien, Baumaschinen, Zubehör oder Ersatzteile benötigt. Während wir im letzten Urlaub noch extra in den Baumarkt sind, um uns schon mal zu informieren und neugierig umzuschauen, was es so gibt, so kennt mein Mann mittlerweile jedes Regal und jeden Mitarbeiter und ist eigentlich froh, wenn er nicht schon wieder hin muss.

Arbeitsplatz des Handwerkerkönigs

Dadurch, dass wir die Sachen für unseren eigenen Gebrauch kaufen, ist es auch völlig neu, so viel körperlich zu arbeiten. Pool restaurieren, Regenwasserkanäle anlegen, Hütten bauen, Mauern abschleifen, streichen, spachteln, Holzkonstruktionen austüfteln und bauen, Wände einrichten, Fliesen schneiden und legen –  alles Dinge, die wir so in Deutschland nie praktisch umgesetzt hätten, die aber hier momentan den Alltag von meinem Mann bestimmen.

Wo der eine mit den handwerklichen Dingen und dem Um- und Neubau des Hauses beschäftigt ist, kümmert sich der andere um das leibliche Wohl. Das war größtenteils wiederum Neuland für mich, denn die Küche war bisher nicht mein Lieblingsort. Hier hingegen habe ich wahrscheinlich bisher mehr Zeit in der Küche verbracht, wie in den letzten fünf Jahren in Deutschland zusammen. Nachdem im Sommer alles in der Küche verarbeitet wurde, was der Garten so hergab oder uns liebe Freunde schenkten, so gehört mittlerweile die Herstellung von eigenen Säften, mehrmals pro Woche eigenes Brot backen oder das Züchten einer Essigmutter zu den alltäglichen Dingen für mich. Auch habe ich noch nie in meinem Leben soviel Kuchen gebacken wie hier – drei Kuchen pro Woche sind keine Seltenheit. Aber es gibt eben auch viele dankbare Abnehmer: mein Mann sowieso, aber auch unser Cuidador und natürlich die Besucher putzen alles immer restlos weg, so dass ein Kuchen selten eine längere Haltbarkeit als drei Stunden hat.

Neben all diesen Dingen ist es jedoch leider auch so, dass wir noch nie in unserem Leben so oft mit Jacke und Mütze, leider im Haus, gefrühstückt haben – denn leider ist es morgens draußen, und damit aber auch drinnen, saukalt. Die Temperaturen liegen nachts um den Gefrierpunkt und im Haus sind wir auch nur knapp zweistellig. Nach einer Stunde mit der Heizung wird es dann warm, aber wir haben uns angewöhnt, mehrere Kleidungsschichten zu tragen. Auch die Quote des Kaltduschens und der Stromausfälle liegt hier höher – dies ist aber glücklicherweise noch kein Alltag sondern bleibt auch hier die Ausnahme.

Das sicherlich 100. Foto vom Vulkan

Was hingegen ein wunderbarer neuer Alltag geworden ist, ist der wunderschöne Ausblick, den wir täglich genießen können. Jeden Morgen, mit dem Öffnen der Vorhänge, wird uns bewusst, auf welchem traumhaft schönen Fleckchen Erde wir jetzt wohnen. Auch wenn wir dann erst mal aus dem warmen Bett in ein eiskaltes Zimmer und Bad gehen müssen, so entschädigt dieser Blick um einiges und wir hoffen, dass wir diesen immer als besonders wahrnehmen werden und uns daran erfreuen können.

2 Gedanken zu „Unser neuer Alltag

  1. Toll, also ich hoffe das ich bald mal alles Vorort erleben kann und mit den guten alten Fernsehmacher am Abend beim schönen Sonnenuntergang ein paar kühle Bierchen trinken kann und dabei über zusammen erlebte Augenblicke zu reden, wäre etwas ganz tolles.
    Euch weiterhin alles erdenklich Gute!!!!!???

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