Unruhige Zeiten

Unruhige Zeiten

In letzter Zeit ist bei uns immer viel los, und das meine ich gar nicht so unbedingt auf unser persönliches Leben bezogen, sondern auf die Lage hier allgemein.

Der Vulkan hat sich wieder beruhigt und die Alarmstufe wurde auf gelb heruntergesetzt, so dass er nun nur noch vor sich hindampft, es aber keine größeren Aktivitäten mehr gibt. Vor gut zwei Wochen hatten wir dann einen enormen Sturm, den Puelche. Das ist ein warmer Wind, ähnlich wie man in Süddeutschland den Föhn kennt, der aus Argentinien kommt und für hohe Temperaturen aber verbunden mit starken Winden sorgt. Dieser ist über den See geradewegs auf Villarrica zugefegt und hat dort für viele Schäden gesorgt und natürlich auch für Stromausfälle. So hatten viele Geschäfte geschlossen und Cafés führten nur einen eingeschränkten Betrieb. Wir daheim waren davon kaum betroffen, aber in der Stadt wurden Dächer abgedeckt, Zäune umgeworfen und Bäume entwurzelt, so dass viele Straßen blockiert und gesperrt waren. Auf dem Weg zum Kindergarten sahen wir fünf riesige Bäume, die der Sturm komplett entwurzelt und umgeknickt hat. Im Kindergarten gab es dann 2 Tage keinen Strom, die Heizung fiel aus und am Ende auch das Wasser. Da unser Kleiner sich eine typische Frühlingserkältung mit Fieber zugezogen hatte, blieben wir gleich lieber daheim.

Demonstration in Villarrica (Foto by Martini Fotografia)

Und dann, für uns aus heiterem Himmel, brachen die Proteste in Santiago los. In den deutschen Medien wird berichtet, dass es aufgrund der gestiegenen U-Bahn Preise sei, dies war jedoch nur der Auslöser, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Aufgrund der gesamten Situation des Landes, die von vielen als unfassbar schlecht wahrgenommen wird, sei es der Mindestlohn, die gesundheitliche Versorgung, das Bildungssystem oder die extrem hohen Diäten von Abgeordneten, gingen die Leute auf die Straße. Leider jedoch nicht friedlich, sondern es ging gleich damit los, dass komplette U- Bahn- Stationen zerstört, Gebäude und Busse angezündet und Läden geplündert wurden. Daraufhin wurde am nächsten Tag der Notstand ausgerufen, das Militär auf die Straße geschickt und Ausgangssperren verhängt. Und die Proteste schwappten sofort über auf die anderen großen Städte, wo es ebenfalls Ausschreitungen und Plünderungen gab. Doch ziemlich schnell wurden Stimmen laut, die gegen diese Art der Demonstration waren. Der Großteil der Chilenen wollte friedlich demonstrieren und so holten sie ihre Kochtöpfe raus und zogen mit diesen durch die Straßen – diese sogenannten „Cacerolazos“ stammen aus der Geschichte Chiles, wo damit 1970 von den Hausfrauen die leeren Töpfe und der Versorgungsnotstand demonstriert wurde. Leider gab (oder gibt) es immer Chaoten, die dann, auch mit fortschreitenden Alkoholkonsum, gewaltbereiter werden und anfangen, alles zu zerstören. So gab es auch in Villarrica und Pucon zunächst friedliche Demonstrationen, die dann aber in der Nacht in Auseinandersetzungen mit der Polizei, Feuern und Zerstörungen von Läden endeten.

Wir selber bekamen davon nur über das Internet und Freunde mit, bei uns daheim war es weiterhin idyllisch und ruhig. Bis wir am Montag morgen aufwachten und ein Erdbeben unser Haus zum Wackeln brachte. Wir lagen noch im Bett, als es auf einmal laut wurde und das Haus anfing zu wackeln. Aber ehe wir reagieren konnten, war es schon wieder vorbei. Sämtliche Häuser sind hier zudem so gebaut, dass sie mit dem Beben mitschwingen und so hatte ich auch eher das Gefühl, dass oben am Dach was ist, als unten in der Erde. Aber klar, die Schwingung geht natürlich nach oben weg. Laut Richterskala war es ein Beben der Stärke 4,9 und es war das erste, was wir daheim so richtig mitbekommen haben.

Anlegen von Vorräten für uns und unsere Gäste

Da wir die Lage nach einem unruhigem Wochenende in Villarrica und Pucon aber nicht einschätzen konnten, ließen wir den Kindergarten Montag ausfallen und nur der Mann des Hauses fuhr gleich am Morgen in die Stadt. Glücklicherweise war alles ruhig. Da wir aber nicht wussten, wie sich die Situation entwickelt und zudem Generalstreiks im ganzen Land und Straßenblockaden angekündigt waren, deckten wir uns mit Vorräten an Lebensmitteln ein (wir waren an den Tagen ausgebucht) und tankten das Auto voll. Doch es blieb ruhig und die befürchteten Blockaden und Versorgungsengpässe aus. Die Leute fingen zudem an, sich aktiv gegen die Zerstörung zu stellen, ihre Läden vor Plünderern zu verteidigen, sich geschlossen vor Chaoten zu stellen und wandelten die Proteste in Musikveranstaltungen und Partys. Auch kursier(t)en im Internet immer mehr Videos von friedlichen Protesten und von einer guten Beziehung zwischen der Bevölkerung und dem Militär. Von Freunden aus Santiago hören wir jedoch weiterhin, dass es zwar auch in der Hauptstadt ruhiger geworden ist, es aber weiter teils chaotisch zugeht, Supermärkte und Baumärkte angezündet werden und es zu schlimmen Auseinandersetzungen kommt.

Seit gestern sind wir nun wieder im Kindergatten und ich am Vormittag in der Stadt. Hier ist alles normal, bis auf das einige Läden früher schließen. Es gibt weiterhin Benzin und auch Lebensmittel und man hat das Gefühl, dass alles wie immer ist und auch die Stimmung scheint ungetrübt. Klar, die Leute ziehen auch tagsüber durch die Straßen und gestern haben die Krankenhäuser und Ärzte gestreikt, aber es ist alles friedlich. Nun hoffen und beten wir, dass es so bleibt. Piñera, Chiles Präsident, hat einige Reformen angekündigt. Es bleibt abzuwarten, in wie weit diese für weniger Ungleichheit im Land und zu einer besseren Lage der Bürger beitragen können und sich damit die Wogen wieder glätten.

3 Gedanken zu „Unruhige Zeiten

  1. Liebe Steffi,

    Hahaha über eine Stärke von 4,9 werdet ihr irgendwann nur noch lachen. Als mein Vater 2015 zu Besuch war, gab es ein wirkliches Erdbeben der Stärke 8,2 und er war in einer Ferienwohnung im 14. Stock untergebracht. Kannst dir vorstellen wie es da wackelt? Er meinte er geht nie mehr höher als den 5. Stock. 🙂
    LG Sandra

  2. Ja die Bilder in denn Nachrichten aus Chile stimmten schon nachdenklich. Vor allem, weil Chile unter allen Ländern Südamerikas, als dass politisch und wirtschaftlich, stabilste Land galt. Hoffe Euch gehts gut,
    hier ist der Wahnsinn für kurze Zeit wieder mal vorbei. Ausser dass es noch schlimmer geworden ist, hat sich nichts geändert. Euer Zufluchtsort sieht sehr schön, gemütlich und einladend aus. Ich werde es irgendwann schaffen vorbeizukommen, vorher muss sich hier aber noch einiges privat regeln. Habt eine gute Sommersaison.. AllesLiebe Joseph

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