Chilenische Umständlichkeit

Chilenische Umständlichkeit

Heute gibt es mal wieder einen Beitrag aus dem chilenischen Alltag. Denn dadurch, dass ich wieder mehr Zeit in der Stadt verbringe, kommt man wieder mehr in Kontakt mit den chilenischen Gepflogenheiten.

Die Chilenen sind Meister im Schaffen von Arbeitsplätzen. Jede Aufgabe wird in einzelne Schritte unterteilt und für jeden dieser Schritte ist dann jemand anders zuständig. Damit gibt es hier noch Jobs, an die man in Deutschland nicht ansatzweise denken würde. So gibt es neben Parkeinweisern, die das Stadtbild in Villarrica prägen, noch Tankwärter, die das Auto betanken, Sicherheitspersonal vor Banken, Mitarbeiter, die einem Serviceterminals erklären, Einpacker und Einkaufswagenaufräumer im Supermarkt, Kassierer, die aber keine Verkäufer sind und viele weitere, wo ich nicht mal weiß, was deren Berufsbezeichnung ist. Eigentlich keine schlechte Sache, wenn dadurch die Sachen nicht umständlicher und zeitaufwendiger würden. Hier ein Anliegen bei einer Person direkt oder im ersten Anlauf klären zu können, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Typische Kasse in einem Café in Villarrica

Seitdem wir mit der Vermietung angefangen haben, müssen wir auch Steuern zahlen und können wiederum unsere Ausgaben hinsichtlich der Mehrwertsteuer dagegenrechnen. Dafür gibt es hier in Chile jedoch nicht einfach einen Kassenbeleg sondern es wird in zwei Arten von Belegen unterschieden. Nur auf den sogenannten Facturas wird die Mehrwertsteuer so ausgewiesen, dass sie vom Finanzamt akzeptiert wird. Eine Factura erhält man aber an vielen Stellen nicht einfach so – dafür braucht man wiederum vom Finanzamt einen bestimmten Beleg. Will ich oder mein Mann auf das Geschäft des jeweils anderen mit Factura einkaufen, so muss ein vom Notar beglaubigter Beleg vorgelegt werden oder man braucht einen weiteren zusätzlichen Beleg vom Finanzamt. Ein normaler Einkauf im Supermarkt an der Kasse spielt sich dann wie folgt ab: man wird gefragt, welche Art von Kassenbeleg man benötigt. Dann, ob man bar oder mit Karte zahlt, ob und in wievielen Raten man zahlen möchte, ob man Punkte sammelt, man Hilfe beim Einpacken braucht und dann, welche RUT (die persönliche Identikationsnummer) man hat. Denn auf diese RUT wird dann die Factura ausgestellt. Anschließend bekommt man einen Kassenzettel, der aber nicht die Factura ist, sondern nur zum Abholen der Factura an einem separaten Schalter im Supermarkt berechtigt. Es gibt also auch Personen, die nur dafür da sind, einem dann die richtige Rechnung für das Finanzamt auszuhändigen.

In einem Großteil der Geschäfte, Restaurants und Cafés ist ebenfalls der Bezahlvorgang so kompliziert, dass man einfach immer mehr Zeit einplanen muss. In den Läden gibt es Verkäufer, die einem die gewünschten Sachen raussuchen (hier gibt es tatsächlich noch persönlichen Kundenkontakt) und diese Sachen einem dann aber nicht aushändigen sondern nur notieren. Man bekommt diese Notiz, geht damit zur Kasse, wo der/die Kassierer/in sitzt, und bezahlt. Es gibt einen Stempel auf die Notiz mit „bezahlt“. Im besten Fall muss man dann zu einer weiteren Station, wo man gegen Vorlage des Bezahlbelegs seine Sachen erhält und wo dieser Beleg mit „Ware ausgeliefert“ abgestempelt wird. In Cafés bestellt man die Rechnung beim Kellner, der gibt an der Kasse Bescheid, dort wird die Rechnung ausdruckt und der Kellner bringt sie an den Tisch. Auch hier die Frage nach der Art der Bezahlung, das Zahlungsmittel wird zur Kasse gebracht und dann erhält man erst die Rechnung und ggf. das Wechselgeld. Schnell im Café bezahlen und gehen, funktioniert hier nicht.

In Chile ist es so, dass jedes Fahrzeug jedes Jahr eine spezielle Fahrgenehmigung braucht. Bis 31.3. hat man Zeit, diese abzuschließen. Dafür benötigt man jede Menge Dokumente – von der vorherigen Fahrgenehmigung über Fahrzeugpapiere bis hin zu TÜV und einer obligatorischen Versicherung. Ab März laufen in der ganzen Stadt Leute rum, die einem diese Pflichtversicherung verkaufen, mitten auf der Straße, Zahlung gegen Versicherungsschein. Das geht ganz komischerweise ganz unkompliziert. Dann wird die Turnhalle der Gemeinde zum Verkaufssaal eben dieser Fahrgenehmigung. Es werden provisorische Schalter eingerichtet, wo man sämtliche Dokumente abgibt und klar, dann erhält man einen Zahlbeleg um an extra eingerichteten Kassen den Betrag zu entrichten. Wer all diese Menschen sind, die auf einmal dann da arbeiten, bleibt mir ein Rätsel.

Apropos Auto – sein Auto hier reparieren zu lassen, ist ebenfalls kein einfaches Unterfangen, zumindest, wenn man es bei kleineren Werkstätten machen lässt. So hatten wir mit unserem Pickup ein paar Probleme und wir mussten in die Werkstatt. Dort wurde erst mal analysiert, was es ist. Nach 2 Stunden wurde mir mitgeteilt, was im Argen ist. Entgegen meines anfänglichem Verständnis, dass alles wieder behoben ist, wurde es nicht gleich repariert sondern mir wurde aufgeschrieben, was für Teile für eine Reparatur benötigt werden. Diese Teile musste ich nun besorgen und dann könnte ich wieder kommen. Nun hieß es erstmal einen Laden finden, wo man diese Sachen bekam, wenngleich es in Villarrica viele Läden gibt, die Ersatzteile für Autos führen. Aber natürlich nicht das, was wir brauchten. Dies musste erst bestellt und dann zwei Tage später abgeholt werden. Dann hieß es, wieder in die Werkstatt, wo dann beim Einbau festgestellt wurde, das weitere Teile ausgetauscht werden müssen, so dass die Suche nach Ersatzteilen nochmal von vorn losging. Nach über zehn Tagen war das Auto dann letztendlich repariert. Wenn das Auto so kaputt ist, dass man nicht mehr (sicher) fahren kann, hat man hier dann halt für diese Zeit einfach kein Auto – ein typischer Fall von chilenischer Gelassenheit. Und so langsam haben auch wir uns daran gewöhnt und nehmen Wartezeiten und das umständliche Erledigen von Dingen ohne Murren in Kauf!

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